Gedanken zur schwierigen Gruppenbildungsphase für kleinere gemeinschaftliche Wohnprojekte

Einige Interessenten, die unser Wohnprojekt besucht haben, berichten, dass sie schon sehr lange in einer Projektgruppe beteiligt sind ohne dass es zu konkreten Ergebnissen und Entscheidungen kommt. Viele Gruppen sind relativ groß und heterogen. In vielen Regionen in Süddeutschland ist auch ein erheblicher Finanzaufwand für die Einzelnen notwendig. Das Einbringen eines solchen größeren Finanzanteil in ein Gemeinschaftsprojekt löst meist auch Befürchtungen und Ängste darüber, ob man die gewünschten Ziele damit für sich auch einlösen und realisieren.

Eine Gruppe muss erst zu einer für alle Beteiligten funktionierenden Gemeinschaft werden und sich das auch immer wieder erarbeiten.

Es ist nicht per se so, dass eine Gruppe für ein Wohnprojekt immer Vorteile bietet. Es sind auch erhebliche Risiken dabei und es gibt keine Garantie, dass das funktioniert und wie lang das funktioniert. Das ist genauso wie in einer Paarbeziehung nur oft und zeitweise komplizierter.

Trotzdem ist bei vielen Menschen der manchmal recht undifferenzierte Wunsch nach einer Gemeinschaft, der man sich zugehörig fühlt, relativ stark da.

Zu diesem zentralen Aspekt der Gruppenbildung zu einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt will ein paar Gedanken ausführen.

Ich gehe dabei von einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt für eine überschaubar Gruppe aus. Vielleicht ungefähr 6 bis 8 Wohneinheiten, wenn die Wohneinheiten für eine Person und 2 Personen eventuell mit Kindern konzipiert sind.

Auch das gibt schon eine Gruppengröße, die meines Erachtens für die Gründung und Realisierung schon viel zu groß ist. Entscheidung besonders kurzfristige zum Beispiel bei Kauf- Bau- oder Umbaumaßnahmen sind da oft, wenn überhaupt möglich, viel zu langwierig und schwierig.

Deshalb glaube ich, dass eine kleinere relativ homogene entscheidungsfähige Kerngruppe gebildet werden sollte.

Nicht zu groß 4 bis höchstens 6 Personen eher weniger. Darin sollte allerdings als Entscheidungsmodus die Einstimmigkeit gewählt werden, so dass der Prozess von jedem mitgetragen wird. Das ist oft sicher nicht leicht, aber meines Erachtens für die Gruppenbildung notwendig.

Sich jeder für sich, als Paar und als Gruppe über die kurzfristigen mittelfristigen und besonders auch die langfristige Zielsetzung klar werden und sie auch in irgendeiner Weise vorläufig formulieren. Offen sein und bleiben für Veränderungen innerhalb dieser Zielsetzungen

Sich innerhalb der Gruppe klar werden über die Stärken und Fähigkeiten der Mitglieder (ökologisches Gruppenmodell) Jedes Mitglied hat eine spezifisch wichtige Aufgabe für die Gruppe und deren Erfolg.

Sich über die eigenen eher schwächeren und undifferenzierten kindlichen Anteile klarer werden. Das heißt die eigenen kindlichen Anteile anschauen und akzeptieren können. Darüber eine gewisse Kommunikation und Wissen in der Gruppe entwickeln.  Sich dieser Anteile zu einem gewissen Maß bewusst werden. Sie sind wichtig, weil sie einen erheblichen Teil der Energie der Teilnehmer beherrschen.

Gleichzeitig muss jeder für sich diese eher undifferenzierten kindlichen Anteile in gewisser Weise einhegen und pflegen und auch liebevoll eingrenzen damit Verzicht und Kompromiss in der Gruppe möglich ist.

Ein Bewusstsein entwickeln, dass man in der Gruppe in bestimmten Bereichen 100 % geben muss und zeitweise nur 80 % oder 70 % bekommt.  Das heißt auch die Bereitschaft zu entwickeln in einem gewissen Maß zu geben ohne dass man weiß, was man zurückbekommt. Damit ist nicht der finanzielle Bereich gemeint. Das lässt sich klarer regeln.

Über ein Finanzierungskonzept nachdenken, dass über die Kerngruppe hinaus geht und mehr als die eigenen Wohnräume oder Wohnung beinhaltet.  Ein befristetes Vermietungskonzept könnte für den Anfang hilfreich sein.

Das gemeinschaftliche Wohnprojekt so anlegen, dass es notfalls auch ohne den Gemeinschaftsgedanken nutzbar ist und sich trägt.

Es ist zwar schwer eine bestehendes Wohnprojekt zu erweitern bzw. aufzufüllen und passende Mitglieder zu finden, aber immer noch einfacher als in der Planungsphase eine zu große entscheidungsunfähige oder schwerfällige Gruppe zu haben, die nichts umsetzen kann.

Außerdem kann man über befristete möblierte Zeitvermietung der freien Wohnprojektplätze notwendige Finanzierungen bedienen. So gewinnt man Zeit die passenden Wohnprojektmitglieder entweder auf Mietbasis oder auf Kaufbasis zu finden. Bei den Banken ist das Gemeinschaftskonzept eher nachrangig. Sie wollen nur wissen, ob eine Finanzierung langfristig abgesichert ist. (Konzept für die Banken)

Sich selbst und in der Gruppe darüber im Klaren werden, welche Gruppe man als WG-Mitglied präferiert oder welche man nicht haben will.

Paare sollten sich darüber klar werden, ob sie das Projekt auch nach einer Trennung oder Distanzierung noch mittragen können und wollen. Das ist auch von der Wohn und Raummöglichkeiten abhängig.

In der Raumgestaltung des Wohnprojekts eine Balance finden zwischen eigenen Rückzugsräumen und Gemeinschaftsräumen. Eine Balance die eine gute und ansprechende Wahlmöglichkeit beinhaltet. Es könnte zum Beispiel die größte und am besten ausgestattete Küche als natürlicher Treffpunkt in den Gemeinschaftsräumen sein.

Ansonsten die Wohneinheiten als komplette Wohnungen planen, die auch notfalls ohne Gemeinschaftskonzept nutzbar sind.

Jedem Gruppenmitglied eine angemessene Zeit für Entscheidungen lassen. Das ist oft schwierig, weil der Zeitfaktor oft von den äußeren Bedingungen der Projekte und Vorhaben diktiert werden und man manchmal recht kurzfristig Entscheidungen treffen muss. Sie sollten trotzdem, wenn mögliche eine freie Wahlmöglichkeit beinhalten, so dass sie später auch tragfähig bleiben.

Wer eine meist konstruktive Herausforderung für sich selbst und in der Gruppe leben mag findet dies in einem solchen Projekt. Es ist sehr befriedigend gemeinsam eine der jeweiligen Gruppe angemessene   Gemeinschafts- und Lebensform zu entwickeln und zu finden. Sie bietet den Einzelnen eine gewisse Unabhängigkeit und Autonomie gleichzeitig mit der notwendigen Bindung und Einbindung, die eine gewisse Basissicherheit und ein sich beheimatet fühlen erzeugen kann.

Das sind nur ein paar Gedanken für den sehr komplexen Prozess der Gruppenbildung zu einem gemeinschaftlichem Wohnprojekt. Jede Gruppe hat darin die Chance ihre eigene Form zu finden.  Wie jeder lebendige Prozess ist er nicht vollständig planbar, kontrollierbar und voraussagbar.  Der Weg die eigene kreative Kraft in den Dienst einer gemeinschaftlichen kreativen Kraft zu stellen und sich darin in befriedigender Weise wiederzufinden ist sicher nicht leicht, aber er kann, wie ich meine eine für alle Beteiligten lohnende Herausforderung sein.

 

Alex

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